Wirtschaftslage

Deflation. Wachstum. Krise?

Die Bauwirtschaft hat die COVID-19-Krise bisher mit einem blauen Auge überstanden. Die Wachstumseinbussen sind um zwei Drittel geringer als in der Gesamtwirtschaft. Während letztere auf eine Deflation hinsteuert, verzeichneten Baupreise ein leichtes Wachstum. Es ist zu befürchten, dass die Krise den Bau mit einiger Verzögerung trifft. Die Bedeutung öffentlicher Bauherren wird deshalb zunehmen.

Das Berichtsjahr 2020 war geprägt durch die COVID-19-Krise. Bereits 2019 blieb die Prognose des Wirtschaftswachstums mit gerade durchschnittlich einem Prozent bescheiden. Für 2020 lagen die Erwartungen bei durchschnittlich minus 5 Prozent. Die Prognose nahm über das Jahr hindurch die Form einer sogenannten «Nike»-Kurve an: Im ersten Quartal sackte die Erwartung wegen des Lockdowns im Frühjahr um fast 7 Prozent ab, erholte sich dann leicht auf minus 3,3 Prozent im Dezember.

Wachstumsprognosen Bauinvestitionen und BIP 2019–2020

Entsprechend stark war auch die Preisentwicklung betroffen. Die allgemeinen Konsumentenpreise sanken im Schnitt um minus 0,6 Prozent, ausgelöst durch den Privatkonsum (-0,8 Prozent), gegenüber einer Zunahme staatlicher Ausgaben von einem halben Prozent.

Die Baubranche war in geringerem Mass und mit weniger Varianz ebenfalls von dieser Entwicklung betroffen. Über das gesamte Jahr hinweg betrug das Wachstum der Bauinvestitionen minus 1.4 Prozent, verglichen mit einem halben Prozent im Vorjahr. Verteilt auf Quartale lag das Wachstum bis im Herbst bei minus 1,5 Prozent, erholte sich dann per Dezember leicht auf minus 1 Prozent. Auch die Preisentwicklung kühlte deutlich ab, obwohl im Unterschied zum Gesamtkonsum die Werte im positiven Bereich verblieben: Von 0,6 Prozent im 2019 auf 0,2 Prozent im 2020. Während die Gesamtwirtschaft einer Deflation entgegen lief, liess sich für die Bauwirtschaft noch in eine leicht inflationäre Entwicklung feststellen.

Preisprognosen Bauinvestitionen und Gesamtkonsum 2019-2020

Die KOF-Konjunkturumfragen zum Projektierungssektor wiesen per Oktober nach einem abrupten Absacken der Geschäftslage auf eine Stabilisierung hin. Die Erwartungen für die kommenden sechs Monate zeigte eine leichte Aufhellung. 

Die Mitglieder der usic wurden gemäss den eigenen Umfragen unmittelbar von der Krise betroffen. Zwischen März und April gaben 90 Prozent an, Projektverzögerungen erfahren zu haben, 70 Prozent sogar Projektstopps. Rund ein Drittel hatte Kurzarbeit beantragt, 10 Prozent Überbrückungskredite. Jedes achte Unternehmen hat durch die Krise aber auch Projekte hinzugewonnen.

Hoch- und Tiefbauindex 2019-2020

Die Bauwirtschaft erlebte eine Stagnation und damit das schwächste Jahr seit 2015. Der Bauindex des Schweizerischen Baumeisterverbandes und der Credit Suisse verzeichnete eine leichte Abnahme bei Hoch- und Tiefbau gleichermassen. Die Entwicklung war weiterhin durch den Tiefbau getrieben.

Insgesamt wurde der Bausektor weniger hart durch die Krise getroffen als die Gesamtwirtschaft. Dazu beigetragen haben, dass flächendeckende Baustellenschliessungen im Frühjahr verhindert werden konnten. Umsatzrückgänge drohten aber insbesondere aufgrund von Bauverzögerungen, Lieferengpässen und hohen Anforderungen an die Einhaltung von Schutzmassnahmen.

Das Bild weist auf eine gewisse Krisenresilienz der Bauwirtschaft hin. Die Umsätze blieben angesichts der Umstände auf einem guten Niveau. Steigende Staatsausgaben bei hoher Bedeutung des Tiefbaus weisen auf die Wichtigkeit öffentlicher Bauherren im aktuellen Marktumfeld hin. Der Ausblick bleibt aber in einem fragilen Markt ungewiss. Es bestehen berechtigte Befürchtungen, dass sowohl private als auch öffentliche Bauherren ihre Aufträge in naher Zukunft zurückfahren könnten. Die Leerwohnungsziffern bleiben hoch, auch bei niedrigen Zinsniveaus. Durch die Krise beschleunigte Entwicklungen, wie Homeoffice und rückläufiger Geschäftstourismus werden voraussichtlich mit einiger Verzögerung die Bauwirtschaft erfassen.

Interview Dr. Nelson Ogunshakin OBE, CEO FIDIC