Gespräch mit dem Präsidenten

Mein Appell an alle weiblichen Führungspersönlichkeiten: Bewerben Sie sich!

Im Jahresrückblick spricht der Präsident über ein intensives Jahr mit Stürmen und Highlights sowie über anstehende Herausforderungen wie die Umsetzung des Beschaffungsrechts, den Namensfindungsprozess und die Suche nach Frauen für den Vorstand.

Bernhard Berger, ein intensives Jahr liegt hinter uns. Was war Ihr persönliches Highlight?

  • Ein Höhepunkt war sicher unsere traditionelle CEO-Konferenz, welche diesmal ausschliesslich digital stattfinden musste. Auch, dass die Generalversammlung ohne Plenum stattfand, war ungewöhnlich. Ich denke, die Art und Weise, wie die usic mit der Krise umgegangen ist, darf durchaus als beispielhaft bezeichnet werden. Dass unsere ganze Branche bisher relativ gut durch die Krise gekommen ist, ist aber mein grösstes Highlight.

Bleiben wir bei der Corona-Krise. Wie hat die usic darauf reagiert?

  • Das Jahr war tatsächlich eine Herausforderung, nicht nur für die Planerinnen und Planer, sondern für die gesamte Gesellschaft. Ich kann mich an keine vergleichbare Situation globalen Ausmasses zu meinen Lebzeiten erinnern. Die Situation verlangte von allen Beteiligten viel Flexibilität und Toleranz.

    Als der Bundesrat am 16. März die ausserordentliche Lage ausgerufen hatte, bildeten wir sofort eine Task Force aus Mitgliedern des Vorstandes und der Geschäftsstelle. Die Task Force traf sich wöchentlich virtuell zu einer Lagebeurteilung. Gleichzeitig haben wir uns sehr eng mit den Mitgliedern von Bauenschweiz und den wichtigsten öffentlichen Bauherren koordiniert und Informationen ausgetauscht. Dadurch waren wir über die Entwicklungen in der gesamten Schweiz zeitnah im Bilde.

«Wir mussten sicherstellen, dass unsere Mitglieder den Überblick über die laufend ändernde Lage behielten.»

Bernhard Berger

Welche Sofort-Massnahmen hat die usic unternommen, um ihre Mitglieder bei der Krisenbewältigung zu unterstützten?

  • Zunächst mussten wir sicherstellen, dass unsere Mitglieder den Überblick über die laufend ändernde Lage behielten. Sobald amtliche Informationen verfügbar waren, haben wir die Mitglieder mittels Newsletter darüber informiert. Parallel dazu haben wir eine eigene Webseite eingerichtet, wo die Informationen und Dokumentationen gebündelt wurden. So haben wir – gemeinsam mit anderen Partnern – mehrere Fact Sheets und FAQs rund um das Arbeiten im Pandemiefall publiziert sowie eigene Musterverträge für das Arbeiten im Homeoffice oder Korrespondenzen für den Fall von Baustellenschliessungen und Verzögerungen erstellt.

    Daneben haben wir uns in einem Appell an die Bauherren gerichtet und im Namen einzelner Mitglieder bei öffentlichen Bauherren interveniert, wenn diese wenig Kulanz oder Entgegenkommen bei der Bewältigung der Herausforderungen zeigten.

«Die Branche war dank Investitionen in die Digitalisierung gut vorbereitet. Doch wir müssen vorsichtig bleiben. Die Konjunktur der Baubranche hinkt der Gesamtkonjunktur jeweils hinterher.»

Und als sich der Sturm etwas gelegt hatte, was haben Sie dann unternommen?

  • Ein drohendes Damoklesschwert war die flächendeckende Schliessung von Baustellen. Die Kantone Tessin, Waadt und Genf hatten solche beschlossen, die Deutschschweiz dagegen nicht. Die unterschiedliche Betroffenheit zeigte sich auch innerhalb des Vorstandes. Wir haben uns deshalb früh auf die Haltung geeinigt, dass – ungeachtet von Baustellenschliessungen – ein Einbruch bei der Auftragslage möglichst verhindert werden muss. Die Arbeitsgruppe Vergabe wurde mit dem Verfassen eines Positionspapiers beauftragt, das Kontinuität bei Planungsaufträgen forderte.

    Als Verband haben wir auch Hand geboten bei der Identifikation geeigneter Projekte. Mit dem Ingenieur-Pool haben wir in kürzester Zeit eine Online-Plattform erstellt, wo unsere Mitglieder verfügbare Ressourcen für Bauherren publizieren konnten.

Wie haben die Mitglieder auf die Krise reagiert?

  • Die Branche war zum Glück dank Investitionen in die Digitalisierung gut vorbereitet. Die Umstellung auf Homeoffice verlief insgesamt rasch und problemlos. Auch das Einhalten von Schutzmassnahmen funktionierte gut. Die meisten Mitarbeitenden sind ab Juni wieder ins Büro zurückgekehrt. Vereinzelt gab es Büros, die Homeoffice für das gesamte Jahr anordneten.

    Der Verband hat mehrere Umfragen bei den Mitgliedern zur wirtschaftlichen Lage durchgeführt. Rund 70 Prozent haben Projektstopps und 90 Prozent Projektverzögerungen erfahren. Etwa 30 Prozent haben Kurzarbeit beantragt und zirka 10 Prozent Überbrückungskredite. Im Nachhinein konnten wir feststellen, dass diese Massnahmen mehrheitlich präventiv erfolgten. Interessant ist, dass die Krise auch neue Projekte ausgelöst hat. So haben einige Bauherren zum Beispiel Schulschliessungen dazu genutzt, um Sanierungsarbeiten vorzunehmen.

    Wir haben viele positive Rückmeldungen zum Umgang der usic mit der Krise erhalten. Ich denke, unsere Mitglieder haben gerade in der Krise die Vorteile eines gut organisierten und handlungsfähigen Verbandes sehr geschätzt. Doch wir müssen vorsichtig bleiben. Gerade die Konjunktur der Baubranche hinkt jeweils der Gesamtkonjunktur hinterher. Wir müssen damit rechnen, dass sich die Nachfrage nach Planungsaufträgen im Verlauf der kommenden zwei Jahre verschlechtert und der Konkurrenzkampf zunehmen wird. Hier bleiben wir als Verband sehr gefordert.

Die usic war ja neben der Krisenbewältigung noch in weiteren Bereichen aktiv. Es wird gemunkelt, dass eine Namensänderung ansteht. Was hat es damit auf sich?

  • Tatsächlich hatte der Vorstand in der Generalversammlung dieses Jahr eine Konsultativabstimmung betreffend einer Namensänderung durchgeführt. Die Überlegung war, dass der Name usic zwar in weiten Kreisen bekannt ist und auch an Bekanntheit hinzugewonnen hat, jedoch nicht unmittelbar auf den Verbandszweck schliessen lässt. Ein neuer Name könnte dafür sorgen, dass die usic ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verstärkt. Die Abstimmung unter den Mitgliedsfirmen ist mit 49 Ja und 39 Nein bei 9 Enthaltungen relativ knapp ausgefallen. Der Vorstand wird das Projekt mit der nötigen Sensibilität weiterverfolgen und der Generalversammlung bei Zeiten Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreiten.

Der Vorstand besteht ausschliesslich aus Männern. Uwe Sollfrank tritt 2021 altershalber zurück. 2022 sind mit Ihnen, Beat Aeschbacher, Patrick Robyr und Stephan Frey gleich vier Vakanzen neu zu besetzen. Wird der Vorstand nun endlich weiblicher?

  • Es ist uns ein grosses Anliegen das Geschlechterverhältnis im Vorstand zu verbessern. In unseren Büros gibt es durchaus Frauen, welche aufgrund ihrer Funktion und Kompetenz mehr als geeignet wären. Wir haben deshalb beschlossen, Bewerberinnen für die nächste Zeit gegenüber Bewerbern zu bevorzugen und gehen die Suche nach entsprechenden Kandidatinnen proaktiv an. Deshalb mein Appell an alle weiblichen Führungspersönlichkeiten in unserem Verband: Bewerben Sie sich und gestalten Sie die Zukunft unseres Verbandes mit! Die Arbeit im Vorstand ist spannend, vielseitig und dank unserer gut organisierten Geschäftsstelle auch für Kaderleute machbar.

«Weil Bauprojekte immer komplexer werden, braucht es neue Zusammenarbeitsformen, die das Projekt wieder ins Zentrum rücken.»

Die usic war auch politisch tätig. Das revidierte Beschaffungsrecht des Bundes tritt 2021 in Kraft und die Kantone sollten dieses nun über die IVöB übernehmen. Welche Fortschritte gibt es zu berichten?

  • Das vergangene Jahr war besonders von der Umsetzung auf Bundesebene geprägt. Wir haben uns in mehreren Arbeitsgruppen der KBOB mit Bauenschweiz bei der Überarbeitung der Leitfäden für die Beschaffung von Planerleistungen engagiert. Diese wurden im Oktober publiziert. Daneben sind wir noch bei der Ausgestaltung des Leitfadens für Gesamtleistungswettbewerbe tätig. Darüber hinaus haben wir drei Erklär-Videos produziert, welche die Änderungen einfach und verständlich vermitteln. Im Rahmen des AföB haben wir mehrere Webinare durchgeführt, um den Kulturwandel und die Änderungen im Beschaffungswesen beliebt zu machen. Auch nehmen wir laufend zu Beitrittsverfahren der Kantone zur IVöB Stellung und koordinieren die Aktivitäten mit unseren Regionalgruppen.

Wo sehen Sie im Bereich der Bildung wichtige Einflussmöglichkeiten der usic?

  • Eine hochwertige Bildung ist von zentraler Bedeutung für unsere Betriebe und die usic will sich entsprechend stärker in diesem Bereich engagieren. Ein Beispiel ist Plavenir – hier leisten wir in der Aufbauphase eine grosse Unterstützung. Auch lancieren wir nun zusammen mit dem SIA ein kurzfristiges Ausbildungsangebot für Lernende im Bereich der Digitalisierung (BIM); dies soll helfen die Lücke zu schliessen, die bis zum Inkrafttreten der neuen Lehrpläne besteht. Ein anderes Beispiel ist unser Verhältnis zu den ETH: Wir müssen und dürfen hier klarer auftreten und unsere Bedürfnisse aus der Praxis mit mehr Nachdruck ansprechen. Ein entsprechendes Positionspapier wird demnächst publiziert.

Ab kommenden Jahr müssen Arbeitsgemeinschaften keine Unternehmensabgabe für Radio und Fernsehen mehr entrichten. Was hat die usic dazu beigetragen?

  • Anfangs 2019 haben unsere Mitglieder plötzlich mehrere Rechnungen für die Unternehmensabgabe erhalten. Daraufhin haben wir uns mit Bauenschweiz koordiniert und mehrere Vorstösse im Parlament angeregt. Im Rahmen des Bundesgesetzes über Massnahmen zugunsten der Medien wurde das Anliegen prioritär behandelt. In der Wintersession haben die Räte dann beschlossen, die Änderung rückwirkend per 1.1.2021 in Kraft zu setzen. Damit werden für das kommende Jahr keine Rechnungen mehr gestellt. Ein besonderer Dank hierfür geht an Ständerat und Präsident von Bauenschweiz, Hans Wicki, sowie Nationalrat und Präsident von Infra Suisse, Christian Wasserfallen, welche hier alle Hebel in Bewegung gesetzt haben.

Welche Schwerpunkte sehen Sie für die unmittelbare Zukunft?

  • Neben der weiteren Bewältigung der Corona-Krise ist besonders die Schnittstelle zwischen der neuen Vergabekultur, der Digitalisierung und neuen Kollaborationsformen zu nennen. Weil Bauprojekte immer komplexer und Verantwortungen im Streitfall hin und her geschoben werden, braucht es neue Zusammenarbeitsformen, die das Projekt wieder ins Zentrum rücken. Ich sehe dabei «Integrated Project Delivery» als interessanten Ansatz, der weiter verfolgt werden könnte. Ferner sind wir weiter mit dem Aufbau unseres Think Tanks beschäftigt. Damit wollen wir einen Beitrag zum öffentlichen Diskurs über die Zukunft unserer Infrastruktur und die Gestaltung des Lebensraumes mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele der UNO leisten. Sie sehen, auch in meinem letzten Präsidialjahr gehen uns die Themen nicht aus!